So, ich bin nun schon eine ganze Weile aus Brasilien zurück und mittlerweile auf dem Weg zur nächsten Reise (ich überführe ein Auto nach Griechenland). Zeit für einen Rückblick und ein Fazit der WM-Reise.
Die Reise war ebenso spannend, wie sie spontan war. Außer der ersten Unterkunft, hatten wir von Deutschland aus ja nichts geplant. Vor Ort war es oft nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe. Manchmal war es besser, manchmal schlechter. Das Klima habe ich mir zum Beispiel schlimmer vorgestellt, als es letztendlich war.
Grundsätzlich muss ich festhalten, es war kein Urlaub, es war eine Reise. So ist das eben, wenn man spontan loszieht und wirklich etwas vom Land sehen will. Teilweise war es sehr anstrengend, aber natürlich lohnt sich diese Anstrengung auch – wenn man Sachen erlebt, die man beim Pauschalurlaub nicht erlebt hätte. Man entdeckt Orte, an denen der Alltag herrscht, was ich unbedingt kennenlernen will, wenn ich unterwegs bin. Hotelkomplex und All-Inclusive ist natürlich leichter, aber das könnte ich überall haben, dafür hätte ich nicht mit dem Rollstuhl nach Brasilien fliegen müssen.
Es war aber gar nicht so einfach auf die Straße zu gehen und Orte zu entdecken und Menschen kennenzulernen. Die Infrastruktur ist nicht wie in Deutschland. Deshalb habe ich mich am Ende auch mehr in großen Städten wie Fortaleza aufgehalten, was ja auch touristisch ist, mit einer großen überfüllten Strandpromenade – aber dafür kann man immer eine Unterkunft finden. In ländlicheren Regionen, gibt es auch keine Alternativen, wenn man in einer Unterkunft landet, die nicht so gut passt. Deshalb wurde ich mal wieder spontan und habe mich länger in Fortaleza aufgehalten, als es ursprünglich geplant war. Normalerweise reicht es mir an solchen Orten nach zwei Tagen und ich will weiterziehen.
Man muss bei solchen Reisen natürlich auch auf seine Assistenten achten und kann nicht immer nur nach eigener Lust und Laune entscheiden. Im Extremfall schlafe ich auch mal am Strand, aber das kann ich natürlich nicht von meinen Helfern verlangen, wenn sie nicht wollen. Bevor man bei solchen individuellen Reisen aufbricht muss man natürlich auch vorher immer das Risiko einschätzen. Was, wenn man gar keine Unterkunft findet, die rollstuhlgerecht ist?
Höhepunkte waren ganz klar die beiden WM-Spiele, die ich besucht habe. Ich versuche ja immer auch hinter die Kulissen zu blicken. Und da gab es bei der WM immer ein bisschen einen Beigeschmack, denn die Brasilianer, die im Stadion waren, waren ganz eindeutig nur besser gestellte Leute. Auch dunkelhäutige Brasilianer waren kaum vertreten.
Vor dem Spiel gab’s immer Ansagen im Stadion gegen Rassismus. Aber anstatt solche Reden zu schwingen, wäre es vielleicht besser einfach mal ein paar Leute aus allen Schichten und Bevölkerungsgruppen ins Stadion zu holen. Auch bei dem Spiel Brasilien gegen Kolumbien hätte ich mir die Stimmung viel euphorischer vorgestellt. Aber die Leute, die im Stadion waren, waren doch alle eher gediegen. Was die Barrierefreiheit betrifft, war aber alles gut gemacht und es gab genug Rollstuhlplätze. Die Rollstuhlfahrer, die ich getroffen habe, waren auch nicht alles nur Reiche.
In den letzten Tagen haben wir dann noch einen richtigen Road-Trip von Fortaleza nach Recife hingelegt – und am Schluss wieder zurück, wegen unserer Flugtickets. Dafür habe ich erst mal ein Auto gemietet, war dann aber nur Beifahrer, weil es nicht umgebaut war. Es war spannend zu sehen, wie sich die Landschaft alle paar hundert Kilometer komplett geändert hat. Du fängst an in einer Gegend mit viel Grün und roter Erde, dann kommst du in ein felsiges, trockenes Gebiet mit Kakteen, dann fährst du noch weiter und bist plötzlich halb im Urwald … Auch das Klima ändert sich dabei und natürlich sind auch die Menschen und die kulturellen Bedingungen in den unterschiedlichen Gegenden verschieden.
Kann ich es anderen Rollstuhlfahrern empfehlen ebenfalls auf gut Glück nach Brasilien zu reisen? Es kommt immer darauf an, was man in Kauf nehmen will. Man kann natürlich auch ins Reisebüro gehen und sich ein All-Inclusive-Paket zusammenstellen lassen. Das ist bestimmt auch schön. Wichtig finde ich, dass man überhaupt mal verreist und was von der Welt sieht. Brasilien kann ich empfehlen, weil es vieles interessantes zu sehen gibt – außerdem ist die Musik gut und das Essen. Und der Weg, wie ich gereist bin? Also ich konnte es aushalten als Tetraplegiker, auch mit der Luftfeuchtigkeit. Also kann ich es empfehlen.